Trampolin
Blacky Fuchsberger hat gesagt, alt werden ist nichts für Feiglinge. Es gibt aber gar keine Alten mehr, denn die sind alle jung geblieben, trauen sich was, erfinden sich neu, sind hip und überall dabei und obenauf. Sie kleiden sich bunt und chic, mischen mit, reisen und werden auf YouTube berühmt. Wenn man den Medien glaubt, ist Altsein mindestens so anstrengend wie Pubertät. Wieso geht mir das nicht so? Bei mir geht Trampolin hüpfen zum Beispiel gar nicht mehr; das hält die Blase nicht aus. Ich brauche kleine Rituale wie warmes Badewasser und abendfüllendes cremen der Füsse und Hände sowie einen Bergkräutertee um halbwegs entspannt ins Bett zu gehen. Ein Seitenschläferkissen teilt neuerdings eben dieses mit mir und dem Schatz. Statt abenteuerliche Reisen - und ich habe einige davon gemacht - plane ich jetzt am liebsten meine Ferien in altbekannten Orten, da, wo man mich kennt und ich die Umgebung. Ankommen, zuhause sein. Die Soko um 18:00 Uhr im ZDF ist im Winter ein Muss, genau so wie das Häkeln von Mützen und Schals. Wenn ich die Nachbarskinder hüte, macht es mir kein bisschen was aus, als Oma durchzugehen und ich will immer in das gleiche Café am Samstag morgen. Überhaupt hänge ich an gewissen Läden und Restaurants und an deren Personal mit denen ich gerne ein Schwätzchen halte. Ich werde also ganz normal alt, brauche länger um mich zu regenerieren, bin weniger belastbar, vertrage keinen übermässigen Lärm und kaufe die Unterhosen so, dass sie ja nicht zwicken. Und solange ich weder rechts noch links schaue, empfinde ich das auch gar nicht als Problem, aber wehe, ich kaufe mir eine Zeitschrift ü50! Dann will ich feige sein und so tun als ob. Die anderen wissen ja nichts von meiner Unterwäsche oder laden mich zum Trampolin springen ein! Kurze Haare machen sowieso jünger, gefärbte noch viel mehr, contouring hilft gegen Doppelkinn und lässige Jeans gegen die Anziehungskraft der Erde. Ich kleide mich sehr gerne mit Stil und habe Spass an der Mode. Dennoch, manchmal neide ich meiner längst verstorbenen Oma ihre Kittelschürze, das Passpartout Sommers wie Winters, und ihre orthopädisch korrekten Schnürschuhe. High heels haben bei mir eine maximale Präsenzzeit von anderthalb Stunden, dann sitze ich entweder oder krame Ballerinas aus meiner Tasche.
Bloss der Mann zu Hause, der lässt sich nicht hinters Licht führen, muss er mir doch allabendlich die Füsschen massieren und den Wandel vom Stringtanga zum nahtlosen every size slip hautnah miterleben. So bewege ich mich zwischen den Welten der nicht mehr Jungen und noch nicht ganz Alten, mogele ein wenig hier und dort und stöhne im stillen Kämmerlein ob meiner Wehwehchen. Trotzdem, wenn schon nicht Trampolin, dann wenigstens Schaukel. Ab auf den Spielplatz.