Gemeinsam getrennt

La lontananza sai, è come il vento
Spegne i fuochi piccoli
Ma accende quelli grandi… So singt es Domenico Modugno in seinem Hit von 1970. (Man beachte die Sirene einer Ambulanz zu Beginn!)

https://youtu.be/Umqyh2TUOco

Die Distanz sei wie der Wind; er lösche die kleinen Feuer, zünde aber die grossen an. Der Text dieses Liedes passt in meine Corona-Zeit. 2020 wird uns auf die eine oder andere Art durchrütteln und wir werden unseren Enkeln davon erzählen, wie das damals war, als jeder zu Hause bleiben musste und “social distancing” zum Unwort des Jahres gekürt wurde. Dieser Wind, der die kleinen Feuer löscht, simbolisiert Bekanntschaften, die sich jetzt endgültig verabschieden. Der Kontakt war sowieso schon immer oder schon lange locker, nicht wirklich befriedigend, sagen wir lieber, nichtssagend. Aus irgendwelchen, handygetriebenen, Gründen hielt ich daran fest, liess die Kontaktliste immer länger werden. Als ich noch ein Adressbuch besass, hätte ich diese Namen längst gestrichen. Aus. Vorbei. Es verbindet uns nichts mehr. Das ist heute vertrackter; es kommt mir fast nie in den Sinn, einen Kontakt zu löschen. Also blödelt auch der letzte Mensch, den ich anrufen würde, in meiner Liste rum. Seit Corona (wird es wohl mal “im Jahre 20 v.C.” heissen und damit ist nicht Christus gemeint?), hat sich hingegen der telefonische Austausch mit ein paar Freunden und Freundinnen intensiviert. Fast täglich hören wir uns, erzählen von unserem Gemütszustand, sprechen uns Trost zu, lästern auch mal ab und quatschen über dieses und jenes wie einst in Teenagertagen. Ich bin überrascht, denn von heute auf morgen sind wir uns nahe, ein Umstand, den ich lange vermisst habe. Wir sprechen über Gefühle! Da lodert ein allerliebstes Feuer, das mich wärmt und mir die Tage erhellt. Ich entdecke Geschichten und Gedanken, die vorher keinen Platz hatten oder bekamen. Gerade weil wir getrennt sind, rücken wir enger zusammen. So wie es aussieht, ist es an der Zeit die Kontakte zu bereinigen. Eine von zahlreichen Putzarbeiten und Entrümpelungsaktionen, die jetzt anstehen. Seit wir aus dem fahrenden Zug geschmissen wurden, habe ich das Bedürfnis, mit leichtem Gepäck und beschwingterem Schritt zu reisen.

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Marita