Veilchen
Hundertprozentig politisch unkorrekt, asozial und primitiv überkommt mich in expliziten Situationen die unbändige Lust, gewissen Mitmenschen mit einem gezielten Schlag ein Veilchen auf's Auge zu drücken. Unsere ach so zivilisierte Welt befindet sich gerade in einer schwierigen Situation und sieht sich mit der Gefahr einer Pandemie konfrontiert. Wir alle sind in der Verantwortung. Solidarität, gegenseitige Rücksichtnahme und Geduld sind gefragt. Und die meisten halten sich auch daran. Aber… Was an grenzenloser Dummheit zusammen kommt, ist nicht von schlechten Eltern. Angefangen bei Verschwörungstheorien über Hamstereinkäufe bis zu simpler Nichtachtung der Regeln sind die unterschiedlichsten Verhaltensweisen zu beobachten. Der Neandertaler sitzt fest auf der Schulter dieser Honks, krallt sich in deren Rücken fest und streckt dem Verstand die Zunge raus. “Wir lassen keine Musik mehr laufen damit niemand auf die Idee kommt, zu tanzen” tönt die Verkäuferin im Café. Hä? Als ob in den letzten dreissig Jahren jemals irgendwo irgendwer ein spontanes Tänzchen hingelegt hätte. (Es gibt Ausnahmen, ich weiss. Vor noch gar nicht so langer Zeit haben wir auf dem Markusplatz in Venedig unter den entzückten Kameraaugen zahlreicher Chinesen einen langsamen Walzer getanzt.) “Sie hätten die Terminabsage mit meinem Vorgesetzten besprechen müssen, es handelt sich schliesslich um ein Fachgespräch”. Hä? Wir haben die Weisung keinen Besuch zu empfangen, da ist es schnuppe aus welchem Grund einer kommt. Es geht ja nicht um Leben und Tod. Aber wenn's die Obrigkeit nicht abgesegnet hat, werden keine selbständigen Entscheidungen getroffen. “Finden Sie nicht, dass wir die Yogamatten nach dem Gebrauch putzen sollten, gerade in dieser Zeit?” traue ich mich zu fragen. “Also dazu kann ich nichts sagen, wir haben keine entsprechende Weisung.” Ich mutiere innerlich zu Muhammad Ali kurz vor dem Kampf gegen Joe Frazier. Jetzt ein schlagkräftiger Jab und der Ignoranz ein hübsches K.O. Mein bisheriges Fazit, seit Corona unseren Tagesablauf bestimmt, ist die niederschmetternde Erkenntniss das wir das selbstständige Denken verlernt haben. Eigene Entscheidungen zu treffen, dem gesunden Menschenverstand zu trauen und folgerichtig zu handeln fällt schwer. Was nützt es, wenn ich im Restaurant zwei Meter Abstand halten soll, mich aber anschliessend in eine überfüllte Strassenbahn setze um wieder in mein Grossraumbüro zu kommen? Indem wir uns schützen, schützen wir unser Umfeld, insbesondere diejenigen, die besonderer Vorsichtsmassnahmen bedürfen. Wir haben die einmalige Gelegenheit uns im achtsamen Miteinander zu üben - tun wir es bitte. Unsere vermeintlichen Sicherheiten befinden sich gerade im Begriff der Auflösung;wenn wir nicht zusammen halten, stürzen wir schmerzvoll zu Boden.
Ach ja, wer macht mit? Heute Abend auf dem Balkon singen und musizieren wie es uns die Italiener vorgemacht haben. Dafür könnte ich sie wieder mal alle küssen!
https://www.youtube.com/playlist?list=RD_qc5N8sEb2Y&feature=share&playnext=1
Quelle: Wikipedia common