Zoppo Trump

Des Abends wachsen mir Flügel. In meinem Kopf entstehen ganze Theaterstücke, grandiose Szenarien, lebhafte Dialoge, Happy Ends ohne End. Morgens wecken mich die Vögel mit ihrem Jubilieren, denn endlich, endlich hört man ihnen zu. Nur deshalb zwitschern und singen sie unermüdlich, sind die Melodie dieses Frühlings, ein Frühling, der sich an seine jungen Jahre erinnert, voll praller Lebenskraft, saftig und geradezu strotzend vor Testosteron. Das Leben schreibt Geschichten wie meine und Deine und ihre und seine und die der Gesangesakrobaten. Morgens erwacht der Kampf im Kopf. Schon vor dem ersten Kaffee grübelt es, windet sich durch erfundene Schleichwege, krümmt sich unter herabhängenden Prügeln, boxt sich durch mit der Machete, verrennt sich, vermaledeit und jault ohne Unterlass. Was wird sein? Wie soll das werden? Werde ich es schaffen? Wie wird es mir ergehen? Was soll ich sagen? Wo ich doch schweigend auf meinem Balkon auf den Rhein blicken will - ohne müssen oder sollen oder tun. Nix da! Meldet sich penetrant und unverschämt der Alltag. Klatscht mir frech ins Gesicht und rüttelt an meinem Ich. Auf in den Kampf Torero singt es im Grosshirn. Die Gedanken sind frei antwortet das Herz. Ihr könnt mich alle mal begehrt die Seele auf und beschliesst, ein Glas Wein zu trinken, im Hier und Jetzt die Sitzhöcker auf der Bank zu verankern und sich in diesem einzigen, unwiederholbaren, schon vergangenen Moment festzukrallen. Aber ich bin schwach, gebe mich hin, kapituliere vor den Sorgen und Ängsten, lasse mich demütigen. Morgen, morgen wird alles anders und ich packe meine Koffer und ziehe auf die Gewinnerseite. Gewinner heissen Batman, Rambo oder Zoppo Trump (endlich weiß ich woher der Kerl stammt; Tilde Michels hatte das schon 1969 heraus gefunden) und nehmen ein böses Ende. Und so beschliesse ich kurz vor Mitternacht einfach nur Mensch zu sein und verbeuge mich vor der Sternennacht, sichtbar nur für kleine Menschengeschöpfe, die hoffend in die Unendlichkeit starren, mit ebenso viel Mut wie Verzweiflung.